RS-232 unter der Lupe: White Horse Laboratories entlarvt fast perfekte Nachbildung
In der Welt der Elektronik, in der echte Handwerkskunst mit geschickter Nachbildung konkurriert, entpuppt sich oft das als „Golden Sample“ bezeichnete Referenzmuster eines Bauteils als heimlicher Held. Wie entscheidend es sein kann, zeigt die folgende Fallstudie aus unserem Prüflabor.
Die Ausgangssituation
Maxim Integrated ist ein Halbleiterriese aus den USA. Mit einem Portfolio von über 1700 analogen integrierten Schaltkreisprodukten sind ihre Komponenten integraler Bestandteil einer Vielzahl von Geräten – von PCs und Handheld-Gadgets bis hin zu modernen Kommunikationseinrichtungen. Seit 2020 gehört Maxim zu Analog Devices, und wurde damit endgültig zu einem Vorreiter im Bereich der analogen Halbleiter.
Unser Prüflabor hatte kürzlich den Auftrag, einen vermeintlichen RS-232-Transceiver von Maxim genauer unter die Lupe zu nehmen. Wie in unserem Arbeitsbereich üblich, lag ein echtes Produkt – als „Golden Sample“ bezeichnet – als Referenzobjekt neben dem Prüfling vor. Interessanterweise wurde in diesem Fall für die zwei Bauteile eine unterschiedliche Herkunft angegeben: Ein Transceiver war laut Beschriftung in den Philippinen hergestellt worden, der andere in Thailand.
Bild 1: Zweideutige Herkunft – Die beiden Transceiver mit unterschiedlichen Länderkennzeichnungen
Auf den ersten Blick schienen diese Zwillinge davon abgesehen jedoch identisch zu sein. Gewicht, Textur und Beschriftung entsprachen den Vorgaben des echten Maxim-Produktes. Doch der Schein kann trügen.
Bild 2: Benchmark & Verdächtigter – Das „Golden Sample“ neben der Testprobe
Wir entschieden uns für einen ganzheitlichen Analyse-Ansatz, der die visuelle Inspektion, eine detaillierte Prüfung der Beschriftung sowie eine Bauteilöffnung umfasst. Auf diese Weise konnte sich unser geschultes Team auch ohne Röntgenanalyse ein detailliertes Bild machen.
Das „Golden Sample“
Für diesen Prüfansatz ist eine vertrauenswürdige Referenzprobe, also ein verifiziertes, echtes Produkt, unverzichtbar. Im Vergleich zu dem uns vorliegenden Golden Sample wurden schnell gravierende Unterschiede deutlich. Sowohl das Gesamterscheinungsbild als auch die feineren Details der Beschriftung variierten. Obwohl das zu prüfende Bauteil sämtlichen Standard-Datenblattparametern entsprach, deutete alles auf eine Fälschung hin.
Bild 3 und 4: Verblüffende Unregelmäßigkeiten – Nahaufnahmen der Unterschiede im Aussehen und in den Druckdetails zwischen den beiden Bauteilproben. Für sich genommen entsprechen jedoch beide den Anforderungen.
An unserem Prüfling gab es keine Anzeichen, dass das Bauteil überholt oder neu bedruckt worden war; auch Gebrauchsspuren fehlten gänzlich. Eine klare Indikation dafür, dass der Transceiver speziell dafür gefertigt wurde, als Maxim-Original durchzugehen.
Bild 5 und 6: Optische Zwillinge – Ohne den direkten Vergleich mit der Goldprobe wäre diese Charge gefälschter Bauteile höchstwahrscheinlich auf den Markt gekommen.
In der Bauteilprüfung steckt oft, wie man so schön sagt, der Teufel im Detail. In diesem Fall verriet erst ein genauer Blick auf die Produktumrisszeichnung (POD) die fast perfekte Testprobe.
Während unsere Referenzprobe exakt den Spezifikationen der Produktumrisszeichnung entsprach, entlarvte die winzige Abweichung in den Maßen des anderen Bauteils dessen wahre, betrügerische Herkunft.
Bild 7: Genau genommen – Maßabweichungen im Mikrometerbereich
Fazit
Gefälschte Bauteile sind heutzutage oftmals so professionell und originalgetreu hergestellt, dass sie selbst für ein geschultes Auge nicht sofort zu erkennen sind. Hochwertige Laborausstattung, tiefgreifende Expertise – und, wie gesehen, oftmals auch das berühmte „Golden Sample“ – versetzen unabhängige Prüflabore wie White Horse Laboratories in die Lage, Fälschungen dennoch zu erkennen und die Qualität und Authentizität der Elektronikindustrie zu wahren.
Dieser Artikel wurde von der White Horse Laboratories GmbH verfasst.