Der Begriff gefälschte Bauteile wirft Fragen auf: Was genau verbirgt sich hinter Plagiaten?
Es handelt sich um Komponenten, die im Allgemeinen nicht die Eigenschaften aufweisen, die ihre Kennzeichnung vermuten lässt. Oft geht es darum, gebrauchte oder defekte elektronische Komponenten als hochwertig Bausteine auszugeben und sie mit hohen Gewinnmargen zu verkaufen. Dieses Problem betrifft nicht nur einfache Halbleiter wie zum Beispiel Dioden und integrierte Schaltungen, sondern auch immer häufiger Komponenten im Bereich der Leistungselektronik.
Die Folgen von Plagiaten sind schwerwiegend und bergen erhebliche Sicherheitsrisiken.
Die Genormung der Gehäuseformen spielt Fälschern in die Karten, da von außen nicht erkennbar ist, welche Komponenten sich im Inneren eines Bausteins befinden. Solange der Aufdruck der bestellten Ware den Erwartungen entspricht, bleibt der Verdacht unbemerkt. Solche Fälschungen kommen in allen Zweigen der Halbleiter- und Mikroelektronikbranche vor. Ganz gleich ob in den Bereichen Consumer Electronic, Government & Space, Medical oder Automotive. Die Mehrzahl der Plagiate hat ihren Ursprung in China, wo sich eine umfangreiche Schattenindustrie etabliert hat.
Dokumente der NASA zeigen, dass allein im Raum Hongkong etwa 5.000 Betriebe Elektronikschrott aufarbeiteten. Rund 90 % der gefälschten Produkte weltweit stammen aus dieser Region. OEMs können ausgemusterte Altgeräte offiziell nach China zur Entsorgung exportieren, doch oft verläuft der Weg über Afrika. Die Altgeräte werden zerlegt und die Rohmaterialien, wie Platinen und elektronische Bauteile, werden dann auf verschiedenen illegalen Wegen nach China transportiert. Dort kommt es mit meist einfachen Methoden zum Entlöten von Bauteilen auf kohlebefeuerten Öfen oder dem Reinigen von Bauteilen mit aggressiven und hochgiftigen chemischen Lösungen.
Die von den Leiterplatten getrennten elektronischen Bauteile werden von den Fälschern nach Bauform, Pin-Anzahl und anderen Kriterien sortiert. Die Standardisierung von Gehäuseformen kommt den Fälschern dabei zugute. Beispielsweise sehen ICs ähnlich aus. Die Funktion der Bauteile ist im ersten Schritt nur anhand des Aufdrucks erkennbar, der leicht zu fälschen ist.
Die einfachste Methode besteht darin, die Bezeichnungen abzuschleifen oder zu überlackieren. So kann beispielsweise aus einem Microcontroller für Anwendungen im Consumerbereich, der in der Regel um die 5,00 EUR kostet, ein Microcontroller für militärische und Luftfahrtzwecke entstehen, der dann preislich zu mehr als das Zehnfache gehandelt wird. Professionelle Fälscher gehen noch einen Schritt weiter: Sie öffnen beispielsweise die Gehäuse von ICs, trennen die Bonding-Drähte und entfernen die Chips. Anschließend verdrahten sie diese in Gehäusen, die teurere Varianten vortäuschen. So wird aus einem Bauteil, das nur wenige Cents kostet, ein teures Produkt, das in großen Mengen verkauft wird und hohe Gewinne einbringt.
Wie gefälschte elektronische Bauteile auf den Markt kommen
Es existieren weltweit ca. 30.000 Chip Broker, die sich darauf spezialisiert haben, Bauteile günstig aufzukaufen und weltweit zu vertreiben. In diesem Branchenzweig tummeln sich gut organisierte Fälscherorganisationen. Sie unterhalten weltweite Handelsverbindungen und bieten ihre gefälschten elektronischen Bauteile über Online-Märktplätze wie zum Beispiel eBay oder AliExpress an oder treten direkt als Chip Broker auf. Der Bereich E-Commerce ist hierzu prädestiniert. Meist handelt es sich bei den angebotenen Bauteilen um abgekündigte und auf offiziellem Wege schwer oder gar nicht mehr erhältlich Ware. In besagten Fällen kontaktieren OEMs dann unabhängige Distributoren und bzw. oder Chip Broker. Diese können jedoch selbst Opfer von Fälschern geworden sein und die Konsequenz ist, dass diese unwissentlich gefälschte Produkte verkaufen.
Welche Auswirkungen haben gefälschte elektronische Bauteile auf die Halbleiter- und Mikroelektronikbranche?
Zum einen besteht durch das in Umlaufbringen und Verbauen von Plagiaten Gefahren für Nutzer von elektronischen Geräten, da die Funktionsfähigkeit nicht gewährleistet ist. Zum anderen erleiden OEMs erhebliche finanzielle Verluste und ihre Reputation wird nachhaltig geschädigt, wenn es zu Feldausfällen von Produkten kommt. Hinzu kommt, dass das Herstellen von gefälschten elektronischen Bauteilen schwerwiegende ökologische Folgen haben kann, da giftige Chemikalien ohne Berücksichtigung von Vorschriften verwendet werden und so in das Erdreich und Gewässer gelangen.
Das enorme Ausmaß des Geschäfts mit Plagiaten wird durch den Fall des US-amerikanischen Chip-Händlers VisionTech deutlich. Das Unternehmen hat über einen Zeitraum von zwei Jahren ca. 16 Millionen USD mit dem wissentlichen Verkauf von gefälschten elektronischen Bauteilen erwirtschaftet. Unter anderem wurde das US Militär beliefert.
Der europäische Markt ist ebenfalls stark betroffen. Im Jahr 2016 hat die niederländische Zollverwaltung und OLAF (Office Européen de Lutte Anti-Fraude) unter Beteiligung von zwölf Mitgliedsstaaten und Europol mehrere hunderttausende aus China und Hong Kong eingeführte Halbleiter beschlagnahmt.
Experten schätzen, dass bis zu 4 % aller auf dem Markt gehandelten Halbleiter gefälscht sind. Rechnerisch könnten somit zwischen 6 % und 12 % der weltweit gehandelten Elektrogeräte gefälschte elektronische Bauteile enthalten.
Welche präventive Maßnahmen gibt es, um den Kauf von gefälschten elektronischen Bauteilen zu vermeiden?
Der sicherste und einfachste Weg, um sicherzustellen, dass man keine gefälschten elektronischen Bauteile erwirbt, besteht darin, diese bei Franchise Distributoren oder unabhängigen Distributoren und Chip Broker zu erwerben, die durch ihr langjähriges Marktbestehen und Referenzen entsprechende Reputationen aufweisen.
Marktübersicht von Distributoren und Chip Broker für elektronische Bauelemente
Hersteller kennzeichnen ihre elektronischen Komponenten oft mit eindeutigen Markierungen oder Zertifizierungen, wie holografischen Etiketten, Seriennummern oder spezifischen Erkennungsmerkmalen. Es ist wichtig, diese Markierungen vor dem Kauf zu überprüfen und sich mit den Markierungen der Hersteller vertraut zu machen. Dies ermöglicht beispielsweise visuelle Qualitätskontrollen während des Wareneingangs. Bei der visuellen Prüfung können zudem unregelmäßig gebogene Pins oder schlecht aufgebrachte Aufdrucke ein Hinweis auf gefälschte Produkte sein. Grobe Fälschungen können oft mithilfe eines Aceton-Wischtests entlarvt werden. Ein gefälschter Aufdruck auf dem Bauteil verschwindet manchmal schon nach kräftigem Rubbeln, zusammen mit der Decklackierung. Hochwertige Plagiate sind jedoch resistent gegenüber dieser Methode. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn es sich um abgekündigte elektronische Bauteile handelt, die zu einem äußerst günstigen Preis angeboten werden.
Bei Unsicherheiten sollte die Expertise eines Testhauses für elektronische Bauteile in Anspruch genommen werden.
Weitere Möglichkeiten sind, sich vor dem Kauf den Ursprung der elektronischen Bauteile entlang der Lieferkette nachweisen zu lassen. Zudem ist die Überprüfung von Lieferanten von entscheidender Bedeutung. Internetbewertungen und Referenzen von anderen Kunden können wertvolle Informationen liefern. Es ist ebenfalls sinnvoll zu überprüfen, ob der Distributor oder Chip Broker Mitglied einer Branchenorganisation ist oder bestimmte Zertifizierungen vorweisen kann, beispielsweise als ERAI-Mitglied oder mit dem Halbleiter-Scout-Siegel.
Quellen: NASA, Counterfeit Electronic Parts, 2010; NASA, Counterfeit Electronic Parts, 2012; NASA, NASA Counterfeit Parts Awareness and Inspection, 2007; NASA, NASA Counterfeit Parts Awareness and Inspection, 2019; NASA, NASA FAR Supplement (NFS) for Counterfeit Electronic Part Detection and Avoidance, 2020; U.S. Immogration and Customs Enforcemet, 2011; OLAF, Der OLAF-Bericht 2016, 2016; ABC News, NASA Satellites Get ‘Counterfeit’ Parts; Taxpayers Pay, 2009